- Werwolf
- Fremde Welt
- Januar
- Eisblumen
- Das Monster in mir
- Unsere Wege
Werwolf
Einem Werwolf gleich
heule ich den Mond an.
Ich bin nicht sicher,
ob ich gerade Mensch bin –
oder Tier!
Meine Einsamkeit ist grenzenlos –
menschliche Worte sind nicht dazu geschaffen,
dieses Gefühl zum Ausdruck zu bringen.
Mein Heulen
durchdringt die Seelen der weinenden Häuser,
die ohne meine Stimme
friedlich im Mondschein schlummern würden.
Das Grau der steinernen Wände wird dunkler.
Die Wolken ziehen sich zusammen
und verdecken die Sterne,
um ihnen meinen qualvollen Anblick zu ersparen.
Die Luft wird kälter,
der Wind schneidender –
er zerzaust mein Fell
und ich grabe meine Krallen
fester in den herzlosen Asphalt der Straße.
Einem Werwolf gleich
heule ich den Mond an.
Ich bin nicht sicher,
ob ich gerade Tier bin –
oder Mensch!
© E. C. M. Tüx
Fremde Welt
Der Mond
ist mir gefolgt
bis in den nächsten Tag
Realität und Traum
sind ineinander verwoben
ich öffne den Vorhang
und blicke
in eine mir fremde Welt
Wo
ist das Gestern geblieben?
Wo
ist das Heute?
Wo
das Morgen?
Wo?
© E. C. M. Tüx
Januar
Der Januar
spiegelt sich in meinen Augen,
seine Kälte
umklammert mein Herz.
Schneeflockensterne
haben sich verfangen
im Netz meiner Haare.
Mein Atem
steht vor mir in der Luft
und nimmt mir die Sicht
auf das Morgen.
Der Januar
spiegelt sich in meiner Seele.
© E. C. M. Tüx
Eisblumen
Eisblumen
blühen in meinem Garten.
Schneegeboren
bedürfen sie meiner Pflege nicht.
In ihren Kelchen
malen Sonnenstrahlen
Bilder aus Licht und Schatten.
Tänengleich
rinnen Schmelztropfen
an ihren Stielen hinab.
Eisblumen –
glitzernd paaren sie sich
und bauen einen Schneemann
in meinem Garten –
er ist ihr stiller Erbe
und schmilzt erst,
wenn es sie längst
nicht mehr gibt.
© E. C. M. Tüx
Das Monster in mir
In mir
tobt ein Monster,
das eine Lücke
sucht,
um auszubrechen!
Das Monster
will Zäune
niederreißen,
Eisenstangen
wie dünnen Draht
verbiegen
und steinerne Mauern
eintreten!
Das Monster
will so laut brüllen,
daß der Boden
erzittert
und die Fensterscheiben
bersten!
Es will
mir die Haare
raufen,
mein Gesicht
zerkratzen
und meine Fäuste
gegen die Wand schlagen,
bis sie bluten.
Doch ich
lasse keine Lücke zu.
So ist das Monster
in mir gefangen,
wütet und tobt und schreit
und weiß,
daß ich bald
explodiere.
© E. C. M. Tüx
Unsere Wege
Nebelkatzen
spielen schnurrend
mit meinem Lebensfaden.
Unschuldig sind sie
und wissen nicht,
was sie tun.
Entwirren muß ich
das verhedderte Knäul
meiner Wege.
Beim Entknoten
begreife ich ganz nebenbei:
Es ist nicht ein Lebensfaden,
es sind zwei.
Wir müssen
unsere eigenen Wege gehen –
nur im Herzen
sind wir niemals allein.
© E. C. M. Tüx